2017
Anton Bruckner
SWF Sinfonieorchester Baden-Baden
Hans Rosbaud
CD 1 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 2 c-Moll (Fassung 1877)
CD 2 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 3 d-Moll (Fassung 1888–89)
CD 3 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 4 Es-Dur (Romantische; Fassung 1878–81)
CD 4 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 5 B-Dur (Fassung 1878)
CD 5 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 6 A-Dur (Fassung 1879–81)
CD 6 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 7 E-Dur (Fassung 1881–83)
CD 7 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 8 c-Moll (Fassung 1887–90)
CD 8 Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 9 d-Moll (Fassung 1894–96)
Erstmals alle von Hans Rosbaud für den SDR (jetzt SWR) produzierten Bruckner-Sinfonien komplett erhältlich. Rosbaud pflegt einen interpretatorischen Ansatz, der eigentlich erst Jahrzehnte später zum Tragen kam. Rosbaud verwendet hauptsächlich die Editionen von Haas und Nowak, wie sie ihm vorlagen.
Hans Rosbaud (1895–1962) gilt der Nachwelt vorwiegend als engagierter Interpret zeitgenössischer Musik. Diese Vorstellung basiert auf seiner regelmäßigen Mitwirkung in Donaueschingen, wo er Ur- oder Erstaufführungen von Olivier Messiaen, Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und vielen anderen dirigierte; entscheidend aber war zweifellos sein Dirigat der konzertanten Uraufführung der Oper „Moses und Aron“ von Arnold Schonberg in Hamburg am 12. März 1954.
Disziplin, Begeisterungsfähigkeit, präzise Kenntnis der Orchesterinstrumente und unbedingte Werktreue sind an Hans Rosbaud immer wieder gerühmt worden, doch verstand sich Rosbaud keineswegs ausschließlich als Anwalt der Moderne. Er pflegte das gesamte Repertoire, dirigierte gerade in Aix-en-Provence mit Vorliebe Mozart-Opern, pflegte kontinuierlich die Oeuvres von Richard Wagner, Anton Bruckner und Gustav Mahler. Es ist daher nur gerecht, aus dem im Schallarchiv des Südwestrundfunks aufbewahrten Nachlass des Neue-Musik-Spezialisten Rosbaud nun auch andereAufnahmen zu veröffentlichen, und dass er von Anton Bruckner außer dessen Erster – die er nie aufgenommen hat – alle Sinfonien für den damaligen Südwestfunk produziert hat, ist Anlass genug, sich mit seinen Bruckner-Interpretationen näher zu beschäftigen.
Hört man die Bruckner-Interpretationen Hans Rosbauds, so gewinnt man den verblüffenden Eindruck, Rosbaud habe sich ähnlichen Überlegungen hingegeben wie sie Jahrzehnte später von den Forschern Peter Gülke und Constantin Floros entwickelt und durch präzise Analysen untermauert wurden. Rosbaud versucht nicht, die Regelhaftigkeit Bruckners hinter einer Fassade von Feierlichkeit oder gar Religiosität zu verbergen, sondern führt sie zuweilen geradezu demonstrativ vor; gleichzeitig aber betont er innerhalb dieser Großräumigkeit den ungeheuren Kontrastreichtum der thematischen Bildungen. Zwischen lyrischer Versenkung und orgelndem Bläserpathos, zwischen volkstümlich anmutenden Themen und exzessiver dramatischer Zuspitzung ersteht unter Rosbauds Leitung eine zwar immer wieder ausufernde, aber stets kontrollierte und streng aufgebaute Klanglandschaft, der Rosbaud das Verweilen in fast stillstehender Zeit ebenso gönnt wie das dramatische Vorwärtsdrängen zu den glanzvollen Höhepunkten.