Schuricht, Carl: Haydn
1950, 1955, 1958
Joseph Haydn
Enrico Mainardi
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Carl Schuricht
Tr. 1 Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 100 G-Dur Hob. I:100
Tr. 5 Joseph Haydn: Violoncellokonzert Nr. 2 D-Dur Hob. VIIb:2
Tr. 8 Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 95 c-Moll Hob. I:95
Die zwölf »Londoner« Sinfonien gelten als krönender Abschluss im sinfonischen Schaffen von Joseph Haydn, zugleich aber auch als Werke, die ganz neue Dimensionen für diese Gattung eröffnen. Angespornt durch das interessierte und musikliebende Londoner Publikum wie durch das hohe spieltechnische Niveau eines auch zahlenmäßig starken Orchesters schrieb Haydn Werke, die alle ein eigenständiges, ganz individuelles Profil zeigen. So auch die Sinfonie c-Moll Hob. I: 95, die für Haydns erste Londoner Reise (1791/92) entstand: sie gehört zwar zu den weniger gespielten Kompositionen unter den Londoner Sinfonien, offenbart jedoch Haydn, den originellen Sinfoniker, auf eine faszinierende Weise. Es ist das einzige Werk unter den Londoner Sinfonien, das in einer Moll-Tonart steht und auf eine langsame Einleitung im Eröffnungssatz verzichtet – doch diese braucht Haydn hier nicht, denn der »Konflikt« zwischen dem leidenschaftlichen Tutti-Unisono des Anfangs und der sanften, kammermusikalischen Fortsetzung bestimmt den Habitus des ganzen Werkes. Das Anfangsthema eignet sich für elaborierte motivische Verarbeitungen; die lyrische Fortsetzung findet ihre Ausarbeitung im Seitenthema, dessen mehrmaliges Auftauchen wiederum als raffinierter Effekt benutzt wird, um den Eintritt der Reprise zu verschleiern. Der langsame Satz bringt ein lyrisches Thema mit drei Variationen, die jedoch keineswegs »konfliktfrei« bleiben: die 2. Variation z.B. ist von scharfen dynamischen Kontrasten geprägt, und in der Coda wird das Thema durch ungewöhnliche Modulationen verfärbt. Auch das Menuett lebt von kontrastierenden Abschnitten: der Hauptteil lässt die Scherzo-Sätze eines Beethoven vorausahnen, während das Trio mit seinem Cellosolo auf die 1. Variation des langsamen Satzes zurückweist. Das Finale vereint die Rondoform mit einer kunstvoll-kontrapunktischen Textur und lässt dadurch die »Jupiter«-Sinfonie von Mozart assoziieren.